Übersicht
Mehr zu Taizé


Europäisches Jugendtreffen Wien
1997/1998


Von 29. Dezember 1997 bis zum 2. Januar 1998 fand in Wien das zwanzigste Europäische Jugendtreffen der Communauté von Taizé statt. Jedes Jahr initiieren die Mönche aus dem burgundischen Kloster in einer europäischen Metropole über den Jahreswechsel eine Zusammenkuft, die im Sinne des Christentums und der Ökumene steht. Solidarität mit den Armen und Leidenden, Völkerverständigung und Frieden waren weitere wichtige Thematiken bei dem Treffen. In Wien fand die Veranstaltung nach 1992 nun schon zum zweiten Mal statt, und die rund 80000 Jugendlichen aus ganz Europa übertrafen noch die Teilnehmerzahl von damals. Mit 1400 Bussen, mit der Bahn oder per Pkw kamen junge Menschen aller Konfessionen zusammen, die zentrale Lage der österreichischen Hauptstadt kam dabei vor allem den Ost- und Südost-Europäern zugute. Die Polen zählten zu den zahlenmäßig größten Gruppen, aber auch 950 Letten (die zwei Tage mit dem Bus unterwegs waren), Tschechen, Slowaken und Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien wie Slowenen, Kroaten und Serben kamen nach Wien.
Zwischen allen herrschte eine ungewöhnlich friedliche und freundschaftliiche Atmosphäre, die auch UNO-Generalsekretät Kofi Annan in seiner Grußbotschaft würdigte: "Der Glaube, der euch zusammenführt, ein Glaube, der die Verschiedenheiten achtet und ganz auf die Erkenntnis des anderen abzielt, nötigt einem Bewunderung ab. Denn Achtung und Erkenntnis bringt Vertrauen hervor - Selbstvertrauen wie Vertrauen in die anderen -, jenes Vertrauen, ohne das es keine wahre Solidarität und keinen wahren Fortschritt gibt. Und was für die Menschen gilt, gilt auch für die Staaten." Auch die Patriarchen der orthodoxen Kirchen von Konstantinopel und Moskau, sowie Papst Johannes Paul II. und andere Prominente sandten Briefe nach Wien.
Von den etwa 7000 Jugendlichen aus dem deutschen Sprachraum kamen zu wenige aus der Umgebung von Lünen zusammen, um einen Bus zu mieten. So machten wir uns am Morgen des 28. Dezembers zu viert mit der Bahn auf den Weg, nach etwa 13 Stunden Zugfahrt erreichten wir die österreichische Hauptstadt. Da der offizielle Empfang allerdings erst am Morgen des nächsten Tages begann, mußten wir uns mit ein paar anderen "Frühankömmlingen" zuerst auf die Suche nach dem Messegelände direkt am Prater machen, wo ein Großteil des Jugendtreffens stattfinden sollte. Einige Verantwortliche des "Welcome Teams" fuhren dort noch mit dem Fahrrad herum, um die Ankommenden einzusammeln und für die Nacht provisorisch in einem Schulgebäude unterzubringen.
Am nächsten Morgen wurden dann die eintreffenden Menschenmassen auf 300 Pfarren im Großraum Wien und Umgebung verteilt, unsere Gruppe schickte man nach Bad Fischau-Brunn, einen kleinen Dorf von weniger als 1000 Einwohnern, das eineinhalb bis zwei Stunden Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln vom Messezentrum entfernt liegt. Man wurde zwar mit einer Netzfahrkarte für den gesamten Verkehrsverbund und einer Stadtkarte ausgestattet, doch ohne Ortskenntnis brauchten wir bis zu dem Dörfchen, das noch nicht einmal auf den Zugfahrplänen verzeichnet war, über drei Stunden.
Im Pfarrheim des Ortes wurden die hundert Gäste auf Gastfamilien und Gemeinschaftsunterkünfte verteilt, wobei zwei Drittel von ihnen Schlafplätze in Privathäusern bekamen, eine Quote, die sicherlich nicht überall erreicht wurde. Nach unserer Einquartierung bei einer überaus freundlichen Familie, die uns alle vier aufnahm, und einem ersten gegenseitigen Kennenlernen mußten wir uns schon wieder auf den Weg nach Wien machen. Dort fanden sich die 80000 Jugendlichen zum gemeinsamen Abendessen auf dem Messegelände zusammen. Durch die effiziente Organisation der Essensausgabe kam es kaum zu Zwischenfällen, und auch die Wartezeit in der "Essensschlange" hielt sich in Grenzen. In einer der Hallen oder einfach unter freiem Himmel saß man dann zusammen und verspeiste die warme Mahlzeit. Nach dem Essen fand dann in drei riesigen Messehallen das erste gemeinsame Gebet statt.
An den folgenden drei Tagen folgte man einem festen Programm: Nach dem Frühstück in den Gastfamilien oder Gemeinschaftsunterkünften ging es zum Morgengebet in den Kirchen der jeweiligen Pfarren. Ein Höhepunkt war dabei das Lied "Stille Nacht", das alle gleichzeitig in ihrer jeweiligen Muttersprache sangen. Anschließend fuhren die Jugendlichen mit Schnell-, U- und Straßenbahnen zum Messegelände, wobei besonders der Wiener Nordbahnhof und die U-Bahnstation Praterstern, die ganz in der Nähe liegen, stark überlastet waren. Die Angestellten der Bahnen und die Polizei hatten in dieser Woche alle Hände voll zu tun, das hohe Passagieraufkommen zu meistern. Auch die eingesetzten Sonderzüge waren zu den Stoßzeiten randvoll.
Nach dem gemeinsamen kalten Mittagessen, das wie das Abendessen verteilt und verzehrt wurde, fand das Mittagsgebet in den Hallen statt. Die Stimmung wurde von Tag zu Tag ruhiger und offener, die typischen Taizégesänge - meist nur wenige Verse, die immer wieder gesungen wurden - sorgten für eine einmalige Atmosphäre unter den Anwesenden. Tausende Menschen saßen ruhig und konzentriert auf dem Boden der drei großen Messehallen, sangen und beteten in vielen verschiedenen Sprachen. Frère Roger, der Gründer der Communauté von Taizé, sprach dann einige Worte zur Besinnung, die in zwanzig Sprachen übersetzt wurden.
Nach dem Gebet standen Gespräche über den Glauben in Kleingruppen, Regionaltreffen oder kulturelle Präsentationen der Gäste aus den verschiedenen Länderrn auf dem Programm, wo man sich gegenseitig kennenlernen konnte. Es folgten das Abendessen und ein gemeinsames Gebet zum Abschluß. Dort waren auch prominente Gäste anwesend, wie der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn, der Präsident des ungarischen Obersten Verfassungsgerichts, Pal Solt, sowie der österreichische Bundespräsident Dr. Thomas Klestil.
Der Jahreswechsel wurde in den Pfarren mit den Gastgebern begangen. Ab 23 Uhr fanden sich die Teilnehmer des Jugendtreffens in den Kirchen zu einem Nachtgebet bis Mitternacht zusammen, dann folgte ein "Fest der Nationen", bei dem die Anwesenden etwas von ihrem Volk präsentierten. In Bad Fischau-Brunn zum Beispiel wurden gemeinsam Tänze aus Polen getanzt, slowakische Lieder gesungen oder kroatische Spiele gemacht. Eine sicherlich ungewöhnliche Silvesterfeier, trotzdem feierten wir später auch noch das Dorffest anläßlich des Jahreswechsels kräftig auf herkömmliche Weise mit.
Am Freitag war dann schon der Tag des Abschieds gekommen, der uns angesichts der unerwarteten Gastfreundlichkeit unserer Gast-"Eltern" und des uns von ihnen entgegengebrachten Vertrauens recht schwer fiel. Es ist in Westeuropa sicherlich nicht die Regel, daß eine Familie spontan vier fremde junge Menschen aufnimmt und ihnen ihr Haus zur Verfügung stellt. Nach einer kurzen Besichtigung der Wiener Altstadt, zu der wir aufgrund des vollen Programms in den vorigen Tagen nicht gekommen waren, mußten wir uns am Abend schon auf den Heimweg machen. Auch in diesem Zug waren Teilnehmer des Jugendtreffens, mit denen man unter dem Einfluß der allgemeinen offenen Taizé-Atmosphäre sofort ins Gespräch kam. So wurde während der Nachfahrt auch mehr geredet und gesungen als geschlafen, und bei der Ankunft in Lünen waren wir dann doch sehr erschöpft.



Übersicht
Mehr zu Taizé